%@LANGUAGE="VBSCRIPT" CODEPAGE="1252"%>
Das ist Bush-Philosophie
Interview mit Lorenz Jarass (Frankfurter Rundschau v. 27.1.05)
FR : Der Bundesverband der Deutschen Industrie klagt über zu hoheUnternehmenssteuern. Bundsfinanzminister Eichel hält das für Propaganda. Wer hat recht?
LJ : Beide haben recht. Auf dem Papier, also nominal, weist die Bundesrepublik von allen EU-Ländern die höchsten Steuersätze für Kapitalgesellschaften auf, rund 40 –Prozent. Tatsächlich zahlen Sie aber, wie wir festgestellt haben, im Schnitt lediglich zehn Prozent. Das ist eine der niedrigsten Quoten innerhalb der Union.
--------- Wie schaffen es die Unternehmen, trotz hoher Gewinne dem Finanzamt einSchnippchen zu schlagen?
Ganz einfach: indem sie gesetzliche vorgegebene Möglichkeiten des Steuersystems nutzen. Die größte besteht darin, dass Unternehmen die Kosten der Auslandsinvestitionen voll hier zu Lande geltend machen können, ohne die Erträge in Deutschland versteuern zu müssen. Angenommen, Siemens kauft in der Slowakei eine Firma für 100 Millionen Euro. Dafür nimmt der Konzern einen Kredit auf und setzt die Zinsen , sagen wir acht Millionen Euro im Jahr , von der deutschen Steuer ab. Die Slowakei verlangt verlangt auf Gewinne eine Abgabe von nominal 19 Prozent. Verdient die Siemens-Tochter zehn Millionen Euro, muss sie maximal knapp zwei Millionen abführen. Die restlichen acht Millionen überweist sie nach München. Auf diese Auslandserträge sind in der Bundesrepublik zwei Prozent Steuern fällig, also weniger als 0,2 Millionen Euro. Das Ganze ist ein dauerhaftes Steuersparmodell,das den Staat jedes Jahr Milliarden kostet.
---------Dabei war Eichel so stolz auf seine Steuerreform. Was hat er falsch gemacht?
Zwei Dinge. Erstens hat er die Globalisierung nicht berücksichtigt, also die Tatsache, dass deutsche Konzerne inzwischen rund um den Erdball präsent sind. Bürger und Unternehmen müssen grundsätzlich ihr gesamtes weltweites Einkommen in der Bundesrepublik versteuern. Entsprechend machen sie zwar alle Kosten in Deutschland geltend, die Kapitalgesellschaften genießen aber das Privileg, auf ihre Auslandserträge nur insgesamt zwei Prozent Steuern zahlen zu müssen. Zudem: Wie soll denn ein bayrischer Betriebsprüfer die Gewinne kontrollieren, die Siemens in Brasilien macht? Wir müssen deshalb weg vom Welteinkommen und sagen: Was im Ausland passiert, ist uns völlig egal. Ergo dürfen auch die dortigen Kosten nicht mehr hier abgesetzt werden.
--------Und Eichels zweiter Fehler?
Er ist, ebenso wie die Vertreter der anderen Parteien, dem Dogma erlegen, das vom US-Präsidenten vertreten wird: Senkt die Steuern für die Reichen, Mächtigen und Konzerne. Die werden das gesparte Geld dann in Deutschland in neue Jobs investieren mit der Folge, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, der Staat mehr einnimmt und er die Steuern weiter senken kann. Das ist Bush-Philosophie.
---------Was schlagen Sie stattdessen vor?
Wie bisher nur auf den Gewinn abzustellen, ist ein Holzweg. Denn dabei handelt es sich um eine Größe, die das Management gestalten kann. Wir müssen deshalb hin zu einer Besteuerung der Wertschöpfung. Entsprechend sollten Künftig alle Unternehmen und Selbständigen eine kommunale Betriebssteuer zahlen, als Ersatz für die heutige Gewerbesteuer. Sie würde neben den Gewinnen auch alle bezahlten Schuldzinsen erfassen. Andernfalls passiert folgendes: Ein ausländischer Investor kauft ein hiesiges Unternehmen, zieht das gesamte Eigenkapital ab und ersetzt es durch Fremdkapital. Die Zinsen fließen an die Muter und vermindern den Gewinn der Tochter. Diese gesetzlich erlaubte Verrechnung nutzen die US-Fonds, die derzeit zuhauf deutsche mittelständische Firmen übernehmen.
---------Das hört sich nach enormen zusätzlichen Lasten für die Unternehmer an.
Für die Betriebssteuer schlagen wir einen Satz von 15 Prozent vor. Bei der derzeitigen Gewerbesteuer sind rund 20 Prozent fällig. Durch die verbreiterte Bemessungsgrundlage ergeben sich staatliche Mehreinnahmen in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags. Damit sollte der Körperschaftssteuersatz von derzeit 25 auf 15 Prozent gesenkt werden. Damit erreichen wir einen international konkurrenzfähigen Steuersatz für Kapitalgesellschaftten von weniger als 30 Prozent.
---------Womit wir wieder beim Bush-Dogma wären?
Nein, der Staat nimmt mehr ein. Die nominale Belastung sinkt zwar von 40 auf rund 28 Prozent. Die effektive steigt aber von 10 auf weit über 15 Prozent, weil viele der bisherigen Schlupflöcher nicht mehr steuermindernd nutzbar sind und alle Unternehmen gleichmäßiger zur Kasse gebeten werden: Wer bisher tatsächlich viel Steuern zahlt, zahlt dann weniger; wer bisher keine Steuern zahlt, zahlt wenigstens 15 Prozent.
Mario Müller interviewte Lorenz Jarass, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule Wiesbaden.